Mitteilung

Forschende des BNITM auf dem Weg zu einem Hautorganmodell mit Immunzellen

Neue Einblicke in die Interaktionen zwischen Hautzellen, Erreger und dem Immunsystem

Stechmücken, Wanzen und Zecken stechen und beißen den Menschen in die Haut. Dabei können diese sogenannten Vektoren den Menschen mit Erregern infizieren. Die Folge sind Erkrankungen wie Malaria, Denguefieber und die Chagas-Krankheit. Über die Eintrittspforte Haut ist immunologisch nicht viel bekannt. Forschende des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) untersuchten in einem humanen Zellkulturmodell, wie der Erreger der Chagas-Krankheit Trypanosoma cruzi in Hautzellen eintritt und wie bestimmte Immunzellen darauf reagieren. Zukünftig möchten sie für ihre Experimente ein Hautorganmodell mit Immunzellen nutzen. Wichtige Vorarbeiten für dieses Forschungsvorhaben publizierten die Forschenden kürzlich in der Fachzeitschrift PLOS Neglected Tropical Diseases.

Fluoreszenzaufnahme zeigt grüne Hautzellen, die Zellkerne sind blau gefärbt. Eine Hautzelle ist mit Trypanosoma cruzi infiziert, T. cruzi ist rot angefärbt. Der Hintergrund ist schwarz.
©BNITM

Dr. Thomas Jacobs, Leiter der Forschungsgruppe Protozoen-Immunologie am BNITM, und Dr. Rosa Isela Gálvez wählten für die Vorarbeiten die Infektion von humanen Keratinozyten, Hautzellen der Oberhaut, mit dem Parasiten Trypanosoma cruzi (= T. cruzi) aus. Raubwanzen übertragen den einzelligen Parasiten in die Haut von Menschen und anderen Säugetieren. In Wirtszellen wie den Keratinozyten vermehrt sich T. cruzi. Über den Blutkreislauf gelangt der Parasit in weitere Zellen und Gewebe wie in die Muskulatur des Wirtsorganismus. Beim Menschen löst T. cruzi die Chagas-Krankheit aus. Akut tritt unter anderem eine lokale Schwellung an der Eintrittsstelle in der Haut auf. Wenn sich die Erkrankung chronifiziert, vergrößern sich Organe wie das Herz, und Nervenzellen des Magen-Darm-Traktes werden zerstört. Daher verläuft die Erkrankung zumeist tödlich. Die Chagas-Krankheit gehört zu den vernachlässigten Tropenkrankheiten (neglected tropical diseases = NTDs) und kommt vor allem in Lateinamerika vor. 

Die Forschenden verwendeten ein neuartiges Ko-Kulturmodell, um die Wechselwirkungen zwischen mit T. cruzi-infizierten Keratinozyten und natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) zu untersuchen. NK-Zellen sind eine Art von Immunzellen, die mit Erregern infizierte Zellen abtöten können. Sie wählten die NK-Zellen aus, da diese essenziell bei der Bekämpfung von T. cruzi sind. Die Keratinozyten gewannen die Wissenschaftler:innen aus Biopsien von gesunden Proband:innen. Von denselben Personen isolierten sie natürliche Killerzellen aus Blutproben. 

Schema der Ko-Kultivierung von Keratinozyten mit NK-Zellen.
Schema der Ko-Kultivierung von Keratinozyten mit NK-Zellen. 1. Kultivierung der Keratinozyten bis sie eine für die Versuche angemessene Dichte erreicht haben. 2. Infektion der Keratinozyten mit dem einzelligen Parasiten T. cruzi. 3. Nach 72 Stunden sind die Parasiten in die Keratinozyten eingedrungen. 4. Magnetische Sortierung der verschiedenen Blutzellen aus der Blutspende ermöglicht die Isolierung der NK-Zellen. 5. Hinzufügen von NK-Zellen zu den mit T. cruzi-infizierten Keratinozyten. 6. Ko-Kultivierung von NK-Zellen und T. cruzi-infizierten Keratinozyten für 24 Stunden. 7. Untersuchung des flüssigen Überstands aus den Zellkulturschalen auf lösliche Moleküle, die von den NK-Zellen freigesetzt wurden. 8. Untersuchung der NK-Zellen auf ihre Funktion wie zum Beispiel ihren Degranulations- und Aktivierungsstatus mit Hilfe der Durchflusszytometrie. 9. Färben der Keratinozyten und des Parasiten T. cruzi mit anschließender Analyse im Opera Phenix HCS-System, um festzustellen, wie stark die NK-Zellen die Parasiten eliminiert haben. Abbildung mit einer lizenzierten Version von Biorender erstellt.   ©Kroh et al. 2024

 

T. cruzi infiziert Keratinozyten im Zellkulturmodell

„In einem ersten wichtigen Schritt konnten wir zeigen, dass der Parasit T. cruzi Keratinozyten in einem Zellkulturmodell infizieren kann. Wenn wir später mit Hautorganmodellen arbeiten, muss sichergestellt sein, dass die Infektion erfolgreich ist. Sonst würden wir teure Ressourcen verschwenden“, ordnet die Immunologin Gálvez ein.

A) Vier Fluoreszenzaufnahmen, die Hautzellen zeigen, die mit unterschiedlichen Mengen an T. cruzi infiziert sind. B) Bildsequenzanalyse von Keratinozyten, die mit T. cruzi Brazil infiziert sind. C) Balkendiagramme, die Infektionsraten (links) und durchschnittliche Anzahl der Parasiten pro infizierter Keratinozytenzelle (rechts) bei verschiedenen Mengen an zugegebenen Parasiten der Stämme T. cruzi Brazil und T. cruzi Tulahuen zeigen.
A) Infektion von Keratinozyten mit unterschiedlichen Mengen (MOI = multiplicity of infection; gibt das Verhältnis vom Erreger zu den Zielzellen an) des Parasitenstammes T. cruzi Brazil (TcB). T. cruzi ist rot gefärbt, die Zellkerne blau. B) Bildsequenzanalyse von Keratinozyten, die mit T. cruzi Brazil infiziert sind. (1) Bildaufnahme vor der Analyse, (2) blaue Zellkernfärbung, (3) rote Färbung von T. cruzi, (4) graue Detektion der Zellkerne, (5) Zellinnere der Keratinozyten, (6) Nachweis von T. cruzi (grün), (7) Auswahl von infizierten Zellen (grün) und nicht infizierten Zellen (rot). C) Infektionsraten (links) und durchschnittliche Anzahl der Parasiten pro infizierter Keratinozytenzelle (rechts) bei verschiedenen Mengen an zugegebenen Parasiten der Stämme T. cruzi Brazil und T. cruzi Tulahuen. Die Infektionsraten des T. cruzi Brazil-Stamms waren höher als die des Tulahuen-Stamms. Bei einer MOI von 6:1 erreichte der Brazil-Stamm eine Infektionsrate von 25%, während der Tulahuen-Stamm nur 3% erreichte. Aufgrund der effizienteren Infektion und der besseren Modellierung chronischer Infektionen im Menschen verwendeten die Forschenden für weitere Experimente den T. cruzi Brazil-Stamm.   ©Kroh et al. 2024

 

Natürliche Killerzellen erkennen mit T. cruzi-infizierte Keratinozyten

Nach der erfolgreichen Infektion der Keratinozyten mit T. cruzi fügten die Forschenden die NK-Zellen hinzu. Die infizierten Keratinozyten aktivierten die NK-Zellen stark. 

Gálvez erläutert: „Unsere Untersuchungen zeigen, dass Keratinozyten nicht nur als Reservoir für den Parasiten dienen, sondern auch eine aktive Rolle bei der Immunantwort spielen. Die Interaktion zwischen infizierten Keratinozyten und NK-Zellen aktiviert NK-Zellen stark. Diese setzen daraufhin wichtige proentzündliche Moleküle wie Interferon-gamma und weitere zytotoxische Moleküle frei, um die Infektion zu bekämpfen.“

 

Ziel: Immunkompetentes Hautorganmodell

Hautorganmodelle, die die unterschiedlichen Hautzelltypen enthalten, existieren schon. Jedoch fehlen in diesen Modellen noch die Immunzellen. Die neuen Erkenntnisse des Forschungsteams um Gálvez und Jacobs unterstreichen, wie bedeutend die Haut als immunologisches Organ ist. Sie zeigen auf, wie wichtig es ist, ein Modell, das neben Haut- auch Immunzellen besitzt (also ein immunkompetentes Hautorganmodell), zu entwickeln. Das Mausmodell könnten die Forschenden hier nicht verwenden, da sich die Zusammensetzung der Immunzellen in der Haut von Maus und Mensch sehr stark voneinander unterscheiden. 

„Bisher ist das Ko-Kulturmodell das einzige Modell, das für unsere Untersuchungen verfügbar ist. Damit haben wir nun einige Wechselwirkungen zwischen Wirtszellen, Erregern und den natürlichen Killerzellen näher beleuchtet. Eine detaillierte Charakterisierung der Immunantwort in der Haut kann dazu beitragen, effektivere Therapiestrategien gegen Tryponosoma cruzi zu entwickeln, aber auch gegen andere Erreger, die über die Haut in den Menschen eindringen. Für diese Charakterisierung ist es unumgänglich, ein immunkompetentes Hautorganmodell zu etablieren“, schließt Jacobs.

Schema, das den Weg zu einem Hautorganmodell illustriert. Links: Einzelne Haut- und Immunzellen. Mitte: Hautorganoid. Rechts: Hautorganmodell.
Links: Auf Zellkulturebene können die Forschenden Interaktionen zwischen Hautzellen und einzelnen Immunzelltypen untersuchen. Mitte: Rundliche Hautorganoide enthalten verschiedene Hautzelltypen der Ober- und Unterhaut sowie Haarfolikel, aber keine Immunzellen. Rechts: In einem sogenannten vollständig kompetenten Hautmodell sind neben den verschiedenen Hautzelltypen auch strukturelle Bestandteile wie Bindegewebszellen und Kollagen sowie verschiedene Immunzelltypen enthalten. Abbildung mit einer lizenzierten Version von Biorender erstellt.   ©BNITM

Ansprechperson

Dr. Rosa Isela Gálvez

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PD Dr. Thomas Jacobs

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Dr. Anna Hein

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