Experimentelle Infektionen bestätigen Persistenzstrategie des Malariaerregers Plasmodium falciparum
Die aktuelle Studie von Dr. Anna Bachmann aus der Abteilung „Zelluläre Parasitologie“ gibt Einblicke in die Mechanismen, die der Malariaerreger Plasmodium falciparum nutzt, um Infektionen im Menschen zu initiieren und längerfristig zu etablieren.
Die aktuelle Studie von Dr. Anna Bachmann aus der Abteilung „Zelluläre Parasitologie“ gibt Einblicke in die Mechanismen, die der Malariaerreger Plasmodium falciparum nutzt, um Infektionen im Menschen zu initiieren und längerfristig zu etablieren. Die Fähigkeit schwere Krankheitsverläufe auszulösen wird unter anderem durch die Bindung des P. falciparum Oberflächenproteins PfEMP1 an Rezeptoren der Blutgefäßwände erklärt. Um ein möglichst breites Spektrum an Bindungsmöglichkeiten abzudecken und gleichzeitig der Abwehr durch das Immunsystem des Menschen zu entgehen, verfügt der Parasit in seinem Genom über ein breites Repertoire sogenannter var-Gene, mit denen er unterschiedliche PfEMP1-Varianten herstellen kann. Auf diese Weise ist der Parasit der Immunantwort des Menschen immer einen Schritt voraus. In der aktuellen, im Fachmagazin „PLOS Pathogens“ veröffentlichten Arbeit, konnte diese Annahme nun erstmals in einer Studie in Gabun bestätigt werden.
Malariaparasiten werden aus der Leber in das menschliche Blut entlassen und etablieren dort eine Infektion. Im Ringstadium, das im Blutstrom zirkuliert, wird PfEMP1-kodierende RNA produziert. In Patienten ohne ausreichenden Immunschutz exprimiert die Parasitenpopulation viele unterschiedliche so genannter var-Gene, wobei die einem spezifischen Subset angehören (Gruppe B, blau dargestellt). Im Gegensatz dazu wird einem semi-immunen Wirt die Parasitenpopulation auf solche Parasiten dezimiert, deren exprimierte PfEMP1-Varianten nicht von dem bereits vorhandenen Antikörperrepertoire erkannt wird, so dass nur eine bis wenige unterschiedliche var-RNAs detektiert werden können. Entwickelt sich der Parasit zum Trophozoiten und Schizonten heftet er sich mit den entsprechenden PfEMP1-Proteinen an die Blutgefäßwände, verschwindet aus der Blutzirkulation und entgeht so der Milzpassage und seiner dortigen Eliminierung. Quelle: BNITM.
Die Malaria ist eine der bedeutendsten Infektionskrankheiten. Nahezu die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Regionen mit Malaria-Verbreitung und ist daher ständig dem Risiko einer Infektion ausgesetzt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) infizieren sich jedes Jahr über 200 Millionen Menschen und bis zu 500.000 sterben an den Folgen der Malaria, etwa drei Viertel davon sind Kinder unter fünf Jahren. Die schwerste Form der Malaria wird durch den Parasiten P. falciparum ausgelöst, der im Verlauf der Evolution besondere Strategien entwickelt hat, der Abwehr durch das Immunsystems des Menschen zu entgehen. Krankheitssymptome treten in der Regel immer dann auf, wenn sich der Parasit verstärkt in roten Blutzellen vermehrt. Da infizierte rote Blutzellen normalerweise beim Durchfluss durch die Milz dem Blutstrom entzogen und abgebaut werden, hat der Parasit Mechanismen entwickelt, der Milzpassage zu entgehen. Er transportiert Proteine an die Oberfläche seiner „gekaperten“ Blutzelle, wodurch sie die Fähigkeit erlangt, an den Wänden kleiner Blutgefäße kleben zu bleiben und so dem Blutfluss entzogen wird. Das dafür verantwortliche Oberflächenprotein, das P. falciparum Erythrozyten-Membranprotein 1 (PfEMP1), kann allerdings auch vom Immunsystem erkannt werden und so die Parasiten enttarnen. Um dem entgegenzuwirken, nutzten die Parasiten in ihrem Genom ein Repertoire aus insgesamt 60 sogennanter var-Gene, die die Herstellung unterschiedlicher PfEMP1-Varianten ermöglichen, wobei der einzelne Parasit in seiner roten Blutzelle immer nur eine PfEMP1-Variante produziert.
Unterteilung der Freiwilligen in Malaria-Naive, Nicht-Kontrolleur, Kontrolleur und Klarer. Detailierte Erläuterungen zu beiden Abbildungen im Original-Paper (Download unten, auf Englisch).
Der Malariaparasit P. falciparum ist ausschließlich für Menschen und einige Menschenaffen infektiös. Daher können experimentelle Infektionsversuche nicht an Tieren sondern nur an Menschen durchgeführt werden. Dr. Anna Bachmann untersuchte in der vorliegenden Studie 25 Personen aus Gabun, die sich freiwillig einer kontrollierten Infektion mit P. falciparum unterzogen haben. Gabun ist ein Gebiet, in dem die Malaria endemisch vorkommt. Die Einheimischen werden dort im Laufe ihres Lebens wiederholt infiziert und bilden Antikörper gegen P. falciparum aus. Dies führt nach mehreren Jahren zu einer sogenannten Semi-Immunität, das heißt, sie tragen noch Parasiten im Blut zeigen aber keine oder nur geringe klinische Symptome. Alle einheimischen Probanden wurden zunächst mit einem Malariamedikament behandelt, um sicher zu stellen, dass zum Zeitpunkt der experimentellen Infektion keine Parasiten im Blut vorhanden waren. Als Kontrollgruppe dienten Freiwillige, die zum ersten Mal mit P. falciparum in Kontakt kamen. Die Gruppen wurden nach der Infektion über einen Zeitraum von maximal vier Wochen täglich auf Parasiten im Blut untersucht und bei Nachweis und Anstieg der Parasiten oder bei Auftreten von Beschwerden sofort behandelt. Sofern keine Symptome auftraten, wurden die Probanden erst zum Abschluss der Studie nach vier Wochen behandelt. Neben dem Nachweis der Parasiten wurden die Blutproben auf die Aktivität der var-Gene und der von ihnen produzierten PfEMP1-Moleküle untersucht.
Das Genexpressionsmuster der Parasiten korreliert mit der erworbenen Immunität
Die Ergebnisse zeigten, dass die Kontrollgruppe und solche afrikanischen Probanden, die bisher nur geringe Mengen an Antikörpern gegen einzelne PfEMP1-Varianten ausgebildet hatten, eine signifikante Parasitenvermehrung innerhalb der ersten zwei Wochen aufwiesen (‚non-controller’).
In diesen Parasiten war ein breites Repertoire verschiedener var-Gene aktiv, die für ein breites Spektrum unterschiedlicher PfEMP1-Varianten verantwortlich waren. Im Gegensatz dazu zeigten Parasiten aus Probanden, die bereits über höhere Mengen und eine größere Bandbreite an PfEMP1-spezifischen Antikörper verfügten, ein sehr kleines Repertoire aktiver var-Genen und die entsprechenden Personen konnte die Parasitenzahl über einen längeren Zeitraum kontrollieren ohne klinische Symptome zu entwickeln (‚controller’). „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Muster der var-Genexpression stark mit dem Status der erworbenen Immunität korreliert. Stößt der Parasit auf ein „naives“ Immunsystem, scheint er seinen Wirt zunächst hinsichtlich vorhandener Rezeptoren und bestehender Immunität auszukundschaften, indem er diverse PfEMP1-Varianten anbietet“ interpretiert Anna Bachmann ihre Beobachtungen. „In Personen mit Immunschutz konnten wir dagegen nur die Expression einzelner PfEMP1-Varianten nachweisen, die vom Immunsystem des Probanden noch nicht erkannt werden. So kann der Parasit durch die Ausbildung eben solcher PfEMP1-Varianten sein Überleben im Menschen sicherstellen“.
Sobald der Mensch jedoch nach einigen Tagen Antikörper gegen diese PfEMP1-Varianten gebildet hat, werden diese Parasiten eliminiert und nur Parasiten, die eine andere Variante an der Oberfläche präsentieren, können sich zunächst weiter vermehren. „Diesen als Antigenvariation bezeichneten Vorgang, der schon lange postuliert wurde, konnten wir jetzt erstmalig im Menschen nachweisen“ erklärt Anna Bachmann. Personen aus Malaria-Endemiegebieten entwickeln offenbar mit jeder Malariainfektion ein immer breiteres Repertoire spezifischer Antikörper gegen die verschiedenen PfEMP1-Varianten. Für die Malariaparasiten bedeutet das, dass die Zahl der möglichen PfEMP1-Varianten, die eine Etablierung der Krankheit ermöglichen, mit der Zeit immer stärker einschränkt wird. „Unsere Ergebnisse belegen die einzigartige Strategie des Malariaparasiten, eine Infektion im Menschen zu initiieren und aufrecht zu erhalten“ resümiert Egbert Tannich die Ergebnisse der Studie. „Dieses Wissen wird uns helfen, Methoden zu entwickeln, die die einzelnen Vorgänge der Antigenvariation beeinflussen. Hier können wir hoffentlich in Zukunft eingreifen und so der weiteren Ausbreitung der Malaria entgegenwirken“.
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