Pressemitteilung

Deutscher Forschungsbeitrag zu vernachlässigten Tropenkrankheiten (NTDs) steigt zu wenig

Mehr und langfristige deutsche Investitionen in Forschungszentren in endemischen Ländern nötig

Deutschland forscht zwar verstärkt zu vernachlässigten Tropenkrankheiten (NTDs), liegt mit dieser Steigerung jedoch unter dem Durchschnitt der zehn produktivsten Länder der Welt. Zudem ist die Forschungsförderung in diesem Bereich seit 2018 zurückgegangen. Das hat eine Studie im Auftrag des Bundesforschungsministeriums (BMBF) unter der Federführung des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) ergeben. Die Erhebung „Eine Einschätzung des Beitrags deutscher Institutionen bei der Forschung zu vernachlässigten Tropenkrankheiten“ wurde am Abend in Berlin vorgestellt.

Das Bild zeigt die Weltkarte. Besonders betroffene Gebiete in Äquatornähe sind dunkelrot und rot, Indien und Nordafrika beige und die USA und große Teile Europas hellgrün: nicht betroffen also.
©DNTDs

Mehr als eine Milliarde Menschen leiden nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an sogenannten vernachlässigten Tropenkrankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTDs). Betroffen sind meist Bevölkerungsgruppen, die in extremer Armut leben und keinen Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung, Bildung, Wasser-, Hygiene- und Sanitärversorgung haben. Aktuell listet die WHO 21 vernachlässigte Tropenkrankheiten, darunter Schlangenbissvergiftungen und Erkrankungen durch Würmer, Einzeller, Bakterien oder Viren. Für einige dieser Krankheiten gibt es zwar Behandlungsmöglichkeiten oder Impfungen, diese sind aber in den meisten betroffenen Ländern schwer erhältlich oder unerschwinglich.

Das Bild zeigt eine malawische NTD-Überlebende der Schlafkrankheit mit ihrem Kind auf dem Schoß.
NTD-Überlebende der Schlafkrankheit in Malawi   ©DNDi

Bereits 2018 hatten NTD-Expertinnen und -Experten im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erstmals ermittelt, welchen Beitrag deutsche Institutionen bei der Forschung und Entwicklung zu vernachlässigten Tropenkrankheiten leisten. Die Analyse erfolgte in enger Zusammenarbeit mit dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), dem Deutschen Netzwerk gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten e.V. (DNTDs), der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V. (DTG) und der Deutschen Gesellschaft für Parasitologie e.V. (DGP). Die vorliegende zweite Erhebung ist die erste nach der Unterzeichnung der Kigali-Erklärung durch die Bundesregierung im Jahr 2022. Darin bekennt sich Deutschland zu dem Ziel, beim globalen Kampf gegen NTDs auch im Bereich Forschung und Entwicklung mitzuwirken.

Die meisten Fördermittel gab es in absteigender Reihenfolge für Forschung zu Lymphatischer Filariose, Schistosomiasis, Onchozerkose und Schlafkrankheit. Die meisten Publikationen mit deutscher Beteiligung erschienen zu Leishmaniose, gefolgt von Dengue-Fieber und Schistosomiasis.

Prof. Dr. Jürgen May, Vorstandsvorsitzender des BNITM: „Der nächste Schritt sollte sein, die Forschungskapazitäten in den Ländern mit vernachlässigten Tropenkrankheiten zu stärken. Die internationale Gemeinschaft muss noch viel stärker als bisher länderspezifische Ansätze und Akteure vor Ort einbeziehen. Hierzu können deutsche Förderinstitutionen beitragen, zumal es bereits eine Vielzahl auch langdauernder und stabiler Kooperationen gibt, vor allem mit Einrichtungen in Afrika.“ Dies würden andere europäische Länder bereits praktizieren.

Porträtfoto von Prof. Dr. Jürgen May, eines erfahrenen freundlich blickenden Forschers
Prof. Dr. Jürgen May   ©BNITM | Dino Schachten

Die vorliegende Erhebung „Eine Einschätzung des Beitrags deutscher Institutionen bei der Forschung zu vernachlässigten Tropenkrankheiten“ wurde von 31 NTD-Expertinnen und -Experten erstellt, die 16 deutschen Forschungseinrichtungen und Organisationen angehören. Soweit möglich bearbeitete ein Expertentandem jeweils eine spezifische vernachlässigte Tropenkrankheit. Dabei trug es evidenzbasierte Informationen, Daten und Bewertungen aus verschiedenen Quellen zusammen. Dazu gehörten eine systematische Literatursuche nach Artikeln mit mindestens einem/r Co-Autor:in aus einer deutschen Einrichtung und eine systematische Suche nach sogenannten Publikationsmetriken, Patenten und klinischen Studien. Die genauen Finanzierungswege und -beträge der deutschen Forschung zu bestimmen, erwies sich als schwierig: Die Ergebnisse basieren auf Trackern in freiwilligen Datenbanken sowie auf Angaben deutscher Forschungseinrichtungen und -institutionen sowie zweier Bundesministerien. Eine weitere Empfehlung der Autor:innen ist daher, in Deutschland eine strukturierte Datenbank für die deutsche NTD-Förderung einzurichten.


Über die beteiligten Institutionen


Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) ist Deutschlands größte Einrichtung für Forschung, Versorgung und Lehre auf dem Gebiet tropentypischer und neu auftretender Infektionskrankheiten. Aktuelle thematische Schwerpunkte bilden Malaria, hämorrhagische Fieberviren, vernachlässigte Tropenerkrankungen (NTDs), Immunologie, Epidemiologie und die Klinik tropischer Infektionen sowie die Mechanismen der Übertragung von Viren durch Stechmücken. Für den Umgang mit hochpathogenen Viren und infizierten Insekten verfügt das Institut über Laboratorien der höchsten biologischen Sicherheitsstufe (BSL4) und ein Sicherheits-Insektarium (BSL3). Die mobilen Laboratorien des BNITM stehen für die weltweite Ausbruchsbekämpfung hochpathogener oder hochinfektiöser Viren bereit. Das Institut pflegt zahlreiche Kooperationen mit Forschungsinstitutionen im Globalen Süden.

Das Deutsche Netzwerk gegen Vernachlässigte Tropenkrankheiten e.V. (DNTDs) bildet eine nationale Plattform in Deutschland, von der aus gemeinsam mit internationalen Partnern die Aufmerksamkeit in Deutschland für diese Gruppe von Krankheiten erhöht und das deutsche Engagement für ihre Bekämpfung gesteigert werden soll. Das deutsche Netzwerk will die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dabei unterstützen, um viele der vernachlässigten Tropenkrankheiten in absehbarer Zeit auszurotten oder zu eliminieren.

Die Deutsche Gesellschaft für Parasitologie e.V. (DGP) versteht sich als Zusammenschluss aller wissenschaftlich an der Parasitologie interessierten Personen, die auf den Gebieten der Zoologie und Botanik, der Medizin, insbesondere Tropenmedizin, Mikrobiologie und Hygiene, der Veterinärmedizin, des Pflanzenschutzes und der Schädlingsbekämpfung tätig sind.

Die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V. (DTG)wurde 1907 gegründet und zählt zur Zeit knapp 1000 Mitglieder. Als wissenschaftliche Fachgesellschaft hat sie den Zusammenschluss von Humanmedizinern, Veterinärmedizinern, Natur- und Sozialwissenschaftlern zum Ziel, die auf den Gebieten Tropenmedizin und Internationale Gesundheit praktizieren, forschen, beraten oder die daran besonders interessiert sind. Die DTG ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF).

Ansprechperson

Prof. Dr. Jürgen May

Leiter der Abteilung Molekulare Infektionsepidemiologie

Telefon : +49 40 285380-402

E-Mail : may@bnitm.de

Julia Rauner

Presse- & Öffentlichkeitsarbeit

Telefon : +49 40 285380-264

E-Mail : presse@bnitm.de