Mitteilung

Wie die Aktivität der Tigermücke das Chikungunya-Risiko in Europa beeinflusst

Forschende des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) haben untersucht, wie die Asiatische Tigermücke das Chikungunya-Virus unter verschiedenen Temperaturbedingungen überträgt. Die Studie zeigt, dass sich das Virus auch bei niedrigen Temperaturen von 15°C in den Stechmücken vermehren kann. Allerdings fliegt sie bei dieser Kälte kaum, was das tatsächliche Infektionsrisiko deutlich senkt. Die Ergebnisse sind kürzlich in der Fachzeitschrift Parasites & Vectors erschienen.

Eine Asiatische Tigermücke sitzt auf einem mit Blut getränktem Wattestäbchen und nimmt eine Blutmahlzeit ein.
©BNITM

Das Chikungunya-Virus gehört zur Familie der Togaviridae und wird von Mücken der Gattung Aedes übertragen. Infizierte Menschen leiden oft unter plötzlich einsetzendem Fieber und starken Gelenkschmerzen, die bei manchen Betroffenen über Monate oder Jahre anhalten können. Das Virus ist in tropischen und subtropischen Regionen endemisch. Durch den internationalen Reiseverkehr und die Ausbreitung invasiver Stechmückenarten wie der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) hat es sich auch in Europa ausgebreitet. In den letzten Jahren kam es in Italien und Frankreich zu mehreren Chikungunya-Ausbrüchen mit hunderten Infizierten.

In Laborexperimenten infizierte das Team um Dr. Anna Heitmann, Laborgruppenleiterin am BNITM, Asiatische Tigermücken mit dem Chikungunya-Virus. Unter kontrollierten Bedingungen testeten die Forschenden, wie gut die Stechmücken das Virus bei unterschiedlichen Temperaturen übertragen können. Sie nutzten innovative Methoden, um die Aktivitätsmuster der Tigermücke zu beobachten: Sie setzten präzise Temperaturkammern ein, um realistische Tag-Nacht-Schwankungen zu simulieren, und überwachten die Bewegungen der Mücken mit hochsensiblen Bewegungsmessgeräten. Nach 14 Tagen – genug Zeit, damit sich das Virus im Stechmückenkörper vermehren und in die Speicheldrüsen gelangen kann – testeten die Wissenschaftler:innen den Virusbefall. Dazu prüften sie unter anderem den Speichel der Mücken auf infektiöse Viruspartikel. So gelang es, sowohl die biologische Virusentwicklung als auch das Verhalten der Stechmücken detailliert zu analysieren.

Kombination von Vektorkompetenz und Aktivität als Schlüssel zur Risikobewertung

Dr. Renke Lühken: ein Forscher, der ein grün-gelb kariertes Hemd, kurze, dunkelblonde Haare und einen kurzen Bart trägt.
Dr. Renke Lühken   ©BNITM | Dino Schachten

Aedes albopictus konnte das Chikungunya-Virus unter allen getesteten Bedingungen übertragen. Die höchsten Übertragungsraten konnten die Forschenden bei schwankenden Temperaturen von 18°C (54,3%) und 21°C (58,6%) messen. Doch auch bei niedrigen Temperaturen von 15°C war die Tigermücke biologisch in der Lage, das Virus weiterzugeben – allerdings blieb die Mücke fast vollständig inaktiv. 

„Unsere Experimente haben deutlich gemacht, dass die Aktivität der Stechmücke eine Schlüsselrolle spielt. Selbst wenn das Virus sich in kühler Umgebung in der Stechmücke vermehren kann, bleibt die Gefahr einer Virusübertragung gering, solange sie kaum fliegt und selten mit Menschen in Kontakt kommt“, erklärt Dr. Renke Lühken, Erstautor der Studie und Leiter der BMBF Nachwuchsgruppe Arbovirus-Ökologie am BNITM.

Drei Diagramme zeigen die Vektorkompetenz, die Temperaturen und die Aktivität der Asiatischen Tigermücke.
Die Asiatische Tigermücke weist auch bei niedrigen Temperaturen eine hohe Vektorkompetenz auf, d.h. sie kann das Chikungunya-Virus übertragen (links); die Zahlen am oberen Rand des Diagramms geben die Anzahl der analysierten Tigermücken an. Allerdings ist die Tigermücke bei diesen Temperaturen wesentlich weniger aktiv (rechts).   ©Lühken R. et al. CC BY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/), Abbildung nicht verändert

Eine Analyse der Klimadaten zeigte, dass vor allem Regionen in Süd- und Mitteleuropa – wie Frankreich, Italien oder einige Teile Deutschlands – klimatisch für eine Chikungunya-Virusübertragung geeignet sind. Aber: Die geringere Aktivität der Stechmücken bei niedrigeren Temperaturen reduziert das tatsächliche Risiko erheblich. 

„Temperaturen beeinflussen nicht nur die Virusentwicklung in der Stechmücke, sondern auch, wie aktiv die Stechmücke ist. Unsere Studie hebt hervor, wie wichtig es ist, nicht nur die Vektorkompetenz, also die Fähigkeit der Stechmücken, das Virus zu übertragen, zu analysieren. Wir müssen auch die Ökologie – die Wechselwirkungen der Stechmücken mit der Umwelt – in die Risikobewertung einbeziehen. Wenn wir diese Faktoren zusammen betrachten, können wir das Übertragungsrisiko besser abschätzen“, so Heitmann. 

Dr. Anna Heitmann: Eine Forscherin mit dunkelblonden Haaren, das zu einem Zopf gebunden ist. Sie trägt einen schwarzen Blazer, darunter ein blau weiß gestreiftes Oberteil und ist an eine graue Betonwand gelehnt.
Dr. Anna Heitmann   ©Anna Heitmann

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