Mitteilung

Autoimmunität schützt vor Malaria

Einblick in Wechselwirkung zwischen Infektionserkrankung und Autoimmunität

Malaria ist eine der bedeutendsten Infektionserkrankungen weltweit. Sie führt bei vielen Kindern zum Tod. Forschende des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) fanden in Zusammenarbeit mit Kooperationspartner:innen heraus, dass Autoimmunität den Menschen vor einer Malariaerkrankung schützt. Wie die Studie zeigt, hemmen Autoantikörper das Wachstum des Malariaparasiten und binden an Proteine, die wichtig für das Eindringen in rote Blutkörperchen sind. Die Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Immunity veröffentlicht.

Eine mikroskopische Aufnahme zeigt rote Blutzellen, von denen einige mit Malariaparasiten befallen sind.
©BNITM

Die Erkrankung Malaria gibt es schon seit mindestens Hunderttausend Jahren, sie hat den Menschen in seiner Evolution begleitet. Der einzellige Malariaparasit Plasmodium falciparum löst die schwere Erkrankungsform Malaria tropica aus. Im Jahr 2022 erkrankten schätzungsweise 250 Millionen Menschen an Malaria, der Großteil an der Malaria tropica; 600.000 von ihnen starben, die meisten davon Kinder. 

Autoimmunität schützt vor Malaria

Autoimmunität bezeichnet eine Immunantwort, die auf körpereigene Strukturen gerichtet ist und zu Autoimmunerkrankungen wie Rheuma führen kann – Autoantikörper binden an körpereigenes Gewebe. Eine Verbindung zwischen Autoimmunität und Malaria ist bekannt: Viele vorherige Studien wiesen Autoantikörper in Malariapatient:innen nach. Gemein haben diese Studien, dass die Autoantikörper erst nach der Malariainfektion gemessen wurden. 

Dr. Christine Hopp: eine Forscherin mit blondem zurückgebundenen Haar, dunkelblauer Bluse und weiß-beigem Netzpullover.
Dr. Christine Hopp   ©BNITM | Dino Schachten

„Es war schon lange bekannt, dass die Malariaerkrankung die Bildung von Autoantikörpern auslöst“, erläutert Dr. Christine Hopp, Autorin der Studie und Leiterin einer Laborgruppe am BNITM. „Wir wollten testen, ob Autoantikörper, die vor einer Malariaerkrankung im Menschen nachweisbar sind, vor einer fiebrigen Infektion mit dem Malariaparasiten schützen.“ 

Hopp hat die Studie während ihrer Post-Doc-Phase am National Institute of Allergy and Infectious Diseases in den USA begonnen. Kolleg:innen vom Malaria Research and Training Center in Bamako, Mali, führten die Kohortenstudie vor Ort in Mali durch.

Die Forschenden wählten das Design einer sogenannten beobachtenden Längsschnittstudie: Sie bestimmten die Menge an Autoantikörpern von 602 gesunden Kindern und Erwachsenen in Mali vor der Malariasaison und beobachteten während der nächsten Monate, wer von diesen Proband:innen an Malaria erkrankte. Das Ergebnis: Personen, die viele Autoantikörper besaßen, hatten ein 40 % geringeres Risiko, an einer fiebrigen Malariainfektion zu erkranken. Mit statistischen Methoden kontrollierte das Forscherteam, dass nicht andere Faktoren wie das Alter das Ergebnis verzerrten. „Es sind die Autoantikörper, die mit dem Schutz vor einer fiebrigen Malariainfektion zusammenhängen“, schließt Hopp.

Links: Fluoreszenzfärbung von Autoantikörpern. Rechts: Kaplan-Meier-Plot zeigt die Wahrscheinlichkeit nicht an einer Malariainfektion zu erkranken.
Links: Test der Blutplasmaproben der 602 Proband:innen auf Autoantikörper. Die Intensität der Immunfluoreszenz zeigt das Level der vorliegenden Autoantikörper an: ANA- = Blutplasma mit keinen Autoantikörpern, ANA+ = Blutplasma mit wenigen Autoantikörpern, ANA++ = Blutplasma mit hohem Level an Autoantikörpern. (ANA = antinukleäre Antikörper; Der Test war ursprünglich als Test für antinukleäre Antikörper bekannt, da er verwendet wurde, um Autoantikörper zu detektieren, die gegen Zellkernstrukturen (= antinukleär) gerichtet sind. Der Test weist aber auch Autoantikörper gegen andere zelluläre Strukturen nach.) Rechts: Der sogenannte Kaplan-Meier-Plot zeigt, dass Personen mit einem hohen Level an Autoantikörpern (grüne Linie) weniger häufig an Malaria erkranken als Personen mit wenigen (gelbe Linie) oder keinen Autoantikörpern (rote Linie).   Bildquelle: Immunity Cell Press | Hagadorn et al. 2024

Autoantikörper hemmen Wachstum des Malariaparasiten und binden an Proteine, die wichtig für das Eindringen in rote Blutkörperchen sind

Hopp und ihre Kooperationspartner:innen führten auch Versuche mit Parasitenkulturen durch. Damit untersuchten sie den Mechanismus, wie Autoantikörper vor einer Infektion mit dem Malariaparasiten Plasmodium falciparum schützen können. Sie kultivierten rote Blutzellen mit dem Parasiten. Dieser dringt in die Blutzellen ein, reift dort, vermehrt sich, die Blutzellen platzen und die neu entstandenen Parasiten befallen weitere rote Blutzellen. Gaben die Wissenschaftler:innen Autoantikörper hinzu, wuchsen die Parasiten weniger. Doch warum? Die Forschenden zeigten, dass die Autoantikörper an die Parasiten in den infizierten Blutzellen binden. Um noch genauer zu bestimmen, wo die Autoantikörper an den Parasiten binden, haben sie Bindungsstudien durchgeführt. Die Autoantikörper banden an einige Proteine des Parasiten, die für das Eindringen in die Blutzelle wichtig sind. 

Entscheidend für die Zellkulturversuche und die Bindungsstudien war, dass Hopp und ihre Kolleg:innen ein Verfahren entwickelt haben, mit dem sie die Autoantikörper von den übrigen Antikörpern aus den Blutplasmaproben der Proband:innen isolieren konnten.

Fluoreszenzaufnahme zeigt den Malariaparasiten in einem vielkernigen Entwicklungsstadium, wie er rote Blutzellen befallen hat.
Der Malariaparasit Plasmodium falciparum hat rote Blutzellen befallen. Die Abbildung zeigt den Malariaparasiten an einem frühen Entwicklungsstadium (Trophozoit, obere Zeile) und einem späteren Zeitpunkt (Schizont, untere Zeile). Spalte 1: Grüne Fluoreszenzfärbung des Malariaparasiten. Das Prinzip, um den Parasiten sichtbar zu machen, funktioniert so: Autoantikörper (AAbs = autoantibodies) binden an den Parasiten und fluoreszenzmarkierte Zweitantikörper (grün) binden an die Autoantikörper und machen sie so sichtbar. Spalte 2: Pinke Fluoreszenzfärbung der roten Blutzellen. Spalte 3: Kombination der Bilder aus Spalte 1 und 2 und Anfärbung der DNA des Malariaparasiten mit einem blauen Fluoreszenzfarbstoff. In der unteren Zeile ist das vielkernige Stadium des Parasiten gut sichtbar. Spalte 4: Lichtmikroskopische Aufnahme der Motive von Spalte 1 bis 3.   Bildquelle: Immunity Cell Press | Hagadorn et al. 2024

Malaria übt selektiven Druck auf menschliche Gene aus

„Das Spannende an der Studie ist, dass sie uns Einblick in die Koevolution von Mensch und Malaria gibt,“ sagt Hopp. Unser Immunsystem steht vor folgender schwieriger Aufgabe: Auf der einen Seite sollte es Krankheitserreger als fremde Strukturen erkennen, auf der anderen Seite körpereigene Gewebe und Moleküle als körpereigene Strukturen. Wenn diese Unterscheidung gelingt, erfolgt eine Immunantwort nur gegen fremde Strukturen wie Krankheitserreger. Wie können Krankheitserreger der Immunantwort entgehen? Ein Mechanismus von Pathogenen dafür ist, den körpereigenen Strukturen so zu ähneln, dass der Körper sie nicht als fremd erkennt. Dieser Vorgang wird als molekulare Mimikry bezeichnet. Es scheint wahrscheinlich, dass der Malariaparasit sich im Lauf der langen Koevolution mit uns Menschen zunehmend den körpereigenen Strukturen annäherte. Als Gegenevolution hat sich unser Immunsystem angepasst: Es lässt mehr Autoimmunität zu, da es so eine bessere Immunantwort gegen den Parasiten geben kann. 

US-Amerikaner mit afrikanischer Abstammung sind anfälliger gegenüber Autoimmunerkrankungen als Personen mit europäischer Abstammung. „Unsere neuen Daten legen nahe, dass diese höhere Anfälligkeit für Autoimmunerkrankungen möglicherweise vor langer Zeit in Afrika entstanden ist, da bei einer Neigung zur Autoimmunität ein Überlebensvorteil gegenüber Malaria besteht. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Malaria ein starker Antrieb für die Entstehung von Autoimmunität gewesen sein könnte,“ erklärt Hopp.  


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