Pressemitteilung

Weltmoskitotag | Verstärkte Usutu-Virus-Aktivität

BNITM und NABU bitten um Unterstützung beim Monitoring des neuerlichen Amselsterbens

In Deutschland kommt es offenbar erneut zu einem massiven Amselsterben durch das Usutu-Virus. Derzeit treffen täglich Dutzende Päckchen mit verendeten Vögeln am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) ein. Auch dem Naturschutzbund NABU werden deutlich mehr kranke oder verendete Vögel gemeldet als sonst um diese Jahreszeit. Die Expert:innen führen dies auf eine verstärkte Zirkulation des durch Stechmücken übertragenen Usutu-Virus zurück. Es hatte zuletzt 2018 ein schweres Vogelsterben in Deutschland ausgelöst.

Das Foto zeigt eine tote männliche schwarze Amsel mit gelbem Schnabel im Gras liegen.
©NABU | Stefan Bosch

Rund 200 Einsendungen verendeter Amseln, Drosseln, Falken und weiterer Vogelarten: Das ist die vorläufige Bilanz am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) für das laufende Jahr. Zum Vergleich: Im gesamten Vorjahr waren es „nur“ 100 Päckchen, die Bürgerinnen und Bürger dem Institut zur Untersuchung geschickt oder persönlich vorbeigebracht hatten.

Auch der Naturschutzbund NABU verzeichnet deutlich erhöhte Klickzahlen auf seiner Internetseite zum Thema Amseln und Usutu-Virus: Die Zahl der täglichen Aufrufe, in der Regel via Suchmaschinen, habe sich in den letzten drei Wochen mehr als verdoppelt. Gegenüber dem Vorjahr werde das Thema sogar drei- bis viermal stärker nachgefragt. Über seine Meldeseite wurden dem NABU in den zurückliegenden sechs Monaten mehr als doppelt so viele kranke oder tote Vögel gemeldet als im Vergleichszeitraum 2023. 2024 liefen bislang 1.536 Meldungen mit 1.806 toten / 1.060 krank gemeldeten Amseln und anderen Vögeln auf (Stand 14.08.24).

Sowohl die Einsendungen als auch die Meldungen stammen aus dem gesamten Bundesgebiet. Besonderer Schwerpunkt scheint diesmal Niedersachsen zu sein. Von dort kamen laut NABU in der ersten Jahreshälfte sechs Mal mehr Meldungen als im Vergleichszeitraum für 2023.

Als Ursache vermuten BNITM und NABU, dass das Usutu-Virus (USUV) derzeit noch stärker zirkuliert als sonst ohnehin während der Stechmückensaison zwischen Mai und September. Der warme und vor allem feuchte Sommer habe die starke Aktivität des Virus in Stechmücken begünstigt.

 

Das Foto zeigt einen Stapel Pakete mit Dutzenden Einsendungen toter Vögel.
Amsel-Einsendungen eines Tages   ©BNITM | Renke Lühken

Am BNITM werden die eingesandten Tierkadaver seziert und auf Usutu- bzw. West-Nil-Viren (WNV, ein weiterer Erreger, der Vogelsterben verursachen kann) getestet. Bisher erwiesen sich 25 Prozent der bereits untersuchten Tiere als Usutu-Virus-positiv. Beim großen Ausbruch von 2018 waren es sogar 40 Prozent. West-Nil-Viren konnte das BNITM bei den bisher untersuchten Einsendungen dieses Jahres noch nicht nachweisen.

Dr. Renke Lühken: ein Forscher, der ein grün-gelb kariertes Hemd, kurze, dunkelblonde Haare und einen kurzen Bart trägt.
Dr. Renke Lühken   ©BNITM | Dino Schachten

„Der Anstieg der USUV-positiven Fälle in diesem Jahr zeigt, wie wichtig es ist, die Ausbreitung des Virus zu beobachten, zu dokumentieren und wissenschaftlich auszuwerten“, sagt Dr. Renke Lühken, Leiter der BMBF-Nachwuchsgruppe Arbovirus-Ökologie und der Arbeitsgruppe Vektorbekämpfung am BNITM. „Dabei sind wir auf die Unterstützung durch die Bevölkerung angewiesen. Vielen Dank an alle, die sich die Mühe machen, uns verendete Tiere einzusenden und so einen Beitrag zur Forschung zu leisten.“

Auch Marco Sommerfeld, Referent für Vogelschutz beim NABU Hamburg, findet die aktuellen Zahlen der Einsendungen und Meldungen besorgniserregend. Ihm zufolge könnte sich das Amselsterben erneut verheerend auf den Vogelbestand auswirken: 

„2018 ist der Amselbestand beispielsweise in Hamburg um etwa 40 Prozent eingebrochen. Seitdem hat er sich noch nicht wieder erholt. Bei so einer häufigen Art ist das erschreckend.“ Außerdem hat Sommerfeld den Eindruck, dass damals auch andere Vögel wie Sing- und Misteldrosseln betroffen waren. Es sei daher wichtig, auch die Populationsentwicklungen weiterer Arten zu beobachten.

Das Foto zeigt einen Mann mittleren Alters mit Fernglas in der Hand vor einer Seenlandschaft stehen und in die Kamera lächeln.
Marco Sommerfeld, Referent für Vogelschutz beim NABU   ©NABU | Thomas Dröse
Die Grafik zeigt die Meldezahlen toter oder kranker Amseln und weiterer Vogelarten in den einzelnen Bundesl#ndern. Ganz oben Niedersachsen.
Amselfunde in Deutschland   ©NABU

Das Usutu-Virus wird durch heimische Stechmückenarten übertragen. Es wurde 2011 erstmals in Amseln nachgewiesen. Seit 2018 zirkuliert es deutschlandweit. Im selben Jahr wurde erstmals das West-Nil-Virus in Zoo- und Wildvögeln nachgewiesen.

USUV-erkrankte Vögel wirken meist apathisch, flüchten nicht mehr und sind entweder leichte Beute für Räuber oder sterben innerhalb weniger Tage.

Auch Säugetiere können sich durch Stechmücken sowohl mit dem Usutu-Virus als auch mit dem West-Nil-Virus infizieren. Bei Menschen verlaufen die meisten Infektionen ohne oder mit nur leichten Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen und im Fall von USUV mit Hautausschlägen. Nur selten kommt es zu Komplikationen wie Gehirn(haut)entzündungen.

Um die tatsächliche Ausbreitung der Viren dokumentieren zu können, ist es wichtig, möglichst viele Verdachtsfälle im Labor bestätigen zu können. Entsprechende Untersuchungen nehmen das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), das Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI) sowie manche veterinärmedizinischen Untersuchungsämter vor.

BNITM und NABU rufen die Bevölkerung dazu auf, tote oder kranke Vögel zu melden und gegebenenfalls dem Institut zu senden. Weitere Informationen über das Usutu-Virus und die Meldewege finden Sie auf den Webseiten des BNITM und des NABU.


Über das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM)

Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) ist Deutschlands größte Einrichtung für Forschung, Versorgung und Lehre auf dem Gebiet tropentypischer und neu auftretender Infektionskrankheiten. Aktuelle thematische Schwerpunkte bilden Malaria, hämorrhagische Fieberviren, vernachlässigte Tropenerkrankungen (NTDs), Immunologie, Epidemiologie und die Klinik tropischer Infektionen sowie die Mechanismen der Übertragung von Viren durch Stechmücken. Für den Umgang mit hochpathogenen Viren und infizierten Insekten verfügt das Institut über Laboratorien der höchsten biologischen Sicherheitsstufe (BSL4) und ein Sicherheits-Insektarium (BSL3).

Über den Naturschutzbund (NABU)

Mit mehr als 940.000 Mitgliedern und Fördernden ist der 1899 gegründete NABU der älteste und mitgliederstärkste Umweltverband Deutschlands. Er engagiert sich für den Erhalt der Lebensraum- und Artenvielfalt, den Klimaschutz sowie die Nachhaltigkeit der Land-, Wald- und Wasserwirtschaft. Der NABU begeistert für die Natur und fördert naturkundliche Kenntnisse für ein aktives Naturerleben. Mehr Infos: www.NABU.de/wir-ueber-uns

Der Weltmoskitotag

Der Weltmoskitotag macht jedes Jahr am 20. August aufmerksam auf die Gefahr, die von Stechmücken ausgeht: Weltweit gibt es mehr als 3.500 Stechmückenarten. Viele von ihnen können Infektionserreger auf den Menschen übertragen, wie Malaria, Dengue-Fieber, Zika, Chikungunya und weitere mehr. Der Weltmoskitotag will ein Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig die Erforschung dieser Krankheiten und der Übertragungsmechanismen ist. Und er mahnt, Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausbreitung von Stechmücken einzudämmen.

Am 20. August 1897 wies der britische Tropenmediziner Sir Ronald Ross nach, dass der Malariaparasit von weiblichen Stechmücken der Gattung Anopheles übertragen wird. Damit revolutionierte er nicht nur die Malariaforschung und -bekämpfung. Seine Erkenntnisse sind noch heute grundlegend, um Epidemien zu verstehen, die von Insekten ausgehen. 1902 erhielt Ross den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie.

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