Pressemitteilung

West-Nil-Virus: Größte europäische Blutspendestudie bestätigt Sicherheit in der Transfusionsmedizin

Bluttransfusionen gehören zu den sichersten lebensrettenden Maßnahmen der Medizin. In immer mehr Regionen Deutschlands infizieren sich jedoch Menschen mit dem West-Nil-Virus (WNV). Dadurch steigt auch die Gefahr einer Übertragung durch Blutspenden. Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und Universität Hamburg (UHH) haben nun den Nutzen des WNV-Blutspende-Screenings untersucht. Sie konnten zeigen, dass die vorgeschriebenen Untersuchungsmethoden WNV-infizierte Spenden sicher erkennen und eine Übertragung mit großer Wahrscheinlichkeit verhindern. Dennoch empfehlen die Forschenden eine kontinuierliche Überprüfung der Screening-Methoden, da sich das Virus in Deutschland immer weiter ausbreitet. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Eurosurveillance erschienen.

Elektronenmikroskopisches Bild von West-Nil-Viren
©BNITM

Es ist die bislang größte Untersuchung dieser Art in Europa: Über einen Zeitraum von vier Jahren untersuchten Forschende von Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und Universität Hamburg (UHH) in einer nationalen Studie, ob die aktuellen Teststrategien in Deutschland das Risiko einer Übertragung von West-Nil-Viren durch Blutprodukte effektiv minimieren. 

Deutschlandkarte mit der geografischen Verteilung von Blutspendeeinrichtungen mit oder ohne Verdacht auf West-Nil-Virus-positive Blutspenden in Wohnbezirken, Deutschland, 2019–2023 (n = 77)
Geografische Verteilung von Blutspendeeinrichtungen mit oder ohne Verdacht auf West-Nil-Virus-positive Blutspenden in Wohnbezirken, Deutschland, 2019–2023 (n = 77)   ©Eurosurveillance

Das West-Nil-Virus gehört zur Familie der Flaviviren und wird hauptsächlich durch Stechmücken der Gattung Culex übertragen. Vögel sind sogenannte Amplifikationswirte, in deren Blut sich große Mengen des Virus entwickeln können, so dass Stechmücken es beim Blutsaugen aufnehmen und weiterverbreiten. Menschen und andere Säugetiere gelten dagegen als Fehlwirte. 

Eine Infektion verläuft meist symptomlos oder verursacht grippeähnliche Beschwerden. In etwa einem Prozent der Fälle kann es jedoch zu schweren neurologischen Komplikationen wie Gehirnentzündungen kommen, besonders bei älteren oder immungeschwächten Personen. In Deutschland wurde das Virus erstmals 2018 bei Vögeln und Pferden sowie 2019 bei Menschen nachgewiesen. Seither ist es in mehreren Bundesländern, insbesondere in Ostdeutschland, endemisch, das heißt fest etabliert. Das Risiko einer Übertragung durch Bluttransfusionen besteht, weil das Virus auch in symptomfreien Infizierten vorhanden ist. In Ländern, in denen das West-Nil-Virus häufiger vorkommt, wurden in der Vergangenheit vereinzelte Infektionen durch Blutprodukte dokumentiert. So kam es in Südeuropa oder den USA bereits zu WNV-Übertragungen, in Deutschland bisher noch nicht. Hier wurden Blutspenden vorsorglich zurückgestellt oder PCR-Testungen durchgeführt, um das Übertragungsrisiko zu minimieren. Bislang war jedoch unklar, ob die in Deutschland angewandten Teststrategien zuverlässig genug sind, um selbst geringe Mengen an Virus-Erbgut sicher zu erkennen.

Europas größte Studie zur Sicherheit von Blutspenden

Zwischen 2020 und 2023 analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über 26 Millionen Blutspenden aus allen 16 deutschen Bundesländern.  Sie untersuchten Verdachtsfälle, die ihnen die Blutspendedienste gemeldete hatten, mit modernen Diagnostikverfahren: darunter metagenomische Sequenzierung und nukleinsäurebasierte Tests (NAT). Ziel war es, die Sensitivität und Spezifität der verschiedenen Testverfahren zu vergleichen und die Effektivität der aktuellen Maßnahmen zu bewerten. 

74 Verdachtsfälle untersuchten die Forschenden eingehender. In 26 Fällen konnten sie tatsächlich das West-Nil-Virus nachweisen, stellten jedoch keine Übertragung durch Blutprodukte fest. Zudem konstatierten sie, dass einige Testverfahren gelegentlich mit anderen verwandten Viren wie dem Usutu-Virus (USUV), dem Humanen Pegivirus Typ 2 und dem Japanische-Enzephalitis-Impfstoff-Virus kreuzreagierten. Serologische Antikörpertests erwiesen sich als wenig geeignet für eine frühzeitige Erkennung, während NAT-basierte Tests bereits in frühen Infektionsstadien zuverlässig ansprachen.

Die farbige Grafik symbolisiert die Bewertung des Zusammenhangs zwischen Blutspenden und West-Nil-Virus-Infektionen bei Blutspendern, Deutschland, 2020–2023 (n = 74).
Bewertung des Zusammenhangs zwischen Blutspenden und West-Nil-Virus-Infektionen bei Blutspendern, Deutschland, 2020–2023 (n = 74)   ©Eurosurveillance

Bei der Studie bewährte sich eine Forschungsmethode, die das Team dank dem BMBF-geförderten Projekt PREPMEDVET und dem Forschungskonsortium CuliFo 3 etablieren konnte: eine sogenannte One-Health metagenomic NGS-Pipeline (Next Generation Sequencing). Damit konnten die Forschenden in diesem Projekt in auffälligen Blutspenderproben schnell zwischen WNV und USUV unterscheiden. CuliFo 3 wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert. 

BNITM-Experte warnt: Wachsamkeit bleibt entscheidend

„Unsere Studie zeigt, dass die bestehenden Teststrategien das Risiko einer Virusübertragung durch Blutprodukte derzeit effektiv minimieren“, sagt Dr. Dániel Cadar, Senior Author der Studie vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Allerdings sollten die Testverfahren regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, um auf Veränderungen in der Virusprävalenz reagieren zu können. Als besonders vielversprechendes diagnostisches Werkzeug habe sich die metagenomische Sequenzierung erwiesen: „Diese Methode ermöglichte es nicht nur, Verdachtsfälle zu klären und WNV-Infektionen genau zu bestätigen“, erklärt Cadar. „Sie eignet sich auch dafür, andere Viren zu identifizieren, die entweder mit klassischen molekularen Methoden Kreuzreaktionen zeigen oder durch diese nicht zuverlässig nachweisbar sind.“

Dr. Dániel Cadar: ein Forscher, der ein blau-weiß kariertes Hemd trägt und eine Glatze hat.
Dr. Dániel Cadar   ©BNITM | Dino Schachten

Da sich das West-Nil-Virus mit dem Klimawandel stärker in Deutschland ausbreiten wird, empfehlen die Forschenden eine kontinuierliche Überwachung der Virusaktivität und gegebenenfalls eine Anpassung der Teststrategien. Zudem sollten zukünftige Studien die Effektivität von Schnelltests und neuen molekularen Verfahren weiter evaluieren, um die Sicherheit von Blutspenden langfristig zu gewährleisten.

Originalpublikation: Stefano Orru et al.: Assessment of the effectiveness of West Nile virus screening by analysing suspected positive donations among blood donors, Germany, 2020 to 2023. Eurosurveillance Vol. 30, Issue 8, Feb.2025. doi.org/10.2807/1560-7917.ES.2025.30.8.2400373

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