Pressemitteilung

Was macht Gesundheitsprogramme erfolgreich?

Neue Arbeitsgruppe Implementationsforschung am BNITM

Sichere Medikamente, bewährte Impfstoffe, wirksame Therapien – all das kann nur dann Leben retten, wenn es auch bei den Menschen ankommt. Häufig scheitern Gesundheitsprogramme nicht an fehlenden Ressourcen, sondern daran, dass die Maßnahmen nicht ausreichend akzeptiert, verstanden oder genutzt werden. Hier setzt die neue Arbeitsgruppe Implementationsforschung am BNITM an: Sie untersucht, wie sich Gesundheitsprogramme erfolgreich umgesetzen lassen – mit einem Fokus auf Frauen- und Kindergesundheit, Impfungen und der Bekämpfung von Schistosomiasis.

Schistosomiasis wird durch Süßwasserschnecken übertragen.
©BNITM

Die jüngste Sektion am BNITM, Implementation, ist komplett: Die Arbeitsgruppe Implementationsforschung hat offiziell ihre Arbeit aufgenommen. Sie untersucht, wie sich Gesundheitsprogramme in verschiedenen Regionen der Welt auswirken. Dabei verbindet sie epidemiologische Untersuchungen zu Krankheitsmechanismen, Diagnostik und Therapie mit reinen Implementationsforschungsmethoden, um Interventionen und deren Effektivität besser bewerten zu können. Die enge Kooperation mit Forschenden und Gesundheitseinrichtungen vor Ort stellt sicher, dass Forschungsergebnisse gezielt umgesetzt und die jeweiligen Gesundheitsprogramme optimiert werden können.

„Wir wollen die Gesundheit der Bevölkerungsgruppen verbessern, die am stärksten gefährdet sind und für die gleichzeitig der Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung am schwierigsten ist“, sagt die Leiterin der Arbeitsgruppe Daniela Fusco (PhD). „Deshalb legen wir unseren Schwerpunkt auf Frauengesundheit, Impfprogramme in ressourcenarmen Regionen und innovative Management-Modelle für die Behandlung der Schistosomiasis.“

Daniela Fusco, Ph.D.: eine Forscherin vor dunklen roten Backstein Hintergrund, die ihre blonden schulterlangen Haar offen trägt.
Daniela Fusco, Ph.D.   ©Pia Rausche

Gesundheitsprogramme, die ankommen

Dabei baut die Forschungsgruppe auf bestehenden Partnerschaften in Madagaskar auf, plant jedoch mittelfristig Kooperationen in weiteren Ländern Subsahara-Afrikas. Zudem nimmt sie auch europäische Regionen in den Blick. Denn gerade bei der Schistosomiasis zeigt sich, dass bisher tropentypische Erkrankungen durch Reisen, Konflikte, Migration und Klimawandel zunehmend auch Thema in nördlichen Breiten werden. 

Wenig Wissen über chronische Schistosomiasis in Europa

Allerdings ist das Wissen über diese parasitäre Erkrankung dort noch begrenzt. Vor einiger Zeit befragte die Gruppe 922 Gesundheitsfachkräfte aus ganz Europa zu ihrem Wissen über Symptome, Diagnose und Behandlung der weiblichen genitalen Schistosomiasis, einer chronischen Form dieser Krankheit. Ihre Ergebnisse veröffentlichte sie in der Fachzeitschrift Globalization and Health. Laut der Studie waren lediglich 32 % der Befragten mit der Erkrankung vertraut.

Sitzende Frau nach Impfung. Sie hat ihren Ärmel hochgeschoben und betrachtet das Pflaster.
Madagassische Frau nach Impfung   ©BNITM

Flexible Ansätze für höhere Impfquoten

Eine weitere soeben im Fachjournal Implementation Science erschienene Studie der Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit der Frage, wie sich Impfquoten steigern lassen. Die COVID-19-Pandemie hat den Bedarf an effektiveren Impfprogrammen verdeutlicht, insbesondere in ressourcenlimitierten Regionen. Die Forschenden implementierten und untersuchten eine COVID-19-Impfkampagne in der Boeny-Region Madagaskars. Bei der Umsetzung orientierten sich die Verantwortlichen am sogenannte Dynamic Sustainability Framework (DSF). Dies beinhaltete regelmäßige Rückmeldungen von Interessengruppen, Interviews, Problemlösungs-Meetings und wöchentliche Monitoring-Analysen, um Anpassungen vorzunehmen. Diese flexible Methode reduzierte nicht die grundsätzlichen Vorbehalte gegen die Impfung. Sie steigerte aber dennoch die absolute Impfquote.

Neben ihrer Forschungsarbeit unterstützt die Arbeitsgruppe den Ausbau der Gesundheits- und Laborkapazitäten in Madagaskar. Die starke Verbreitung von Infektionskrankheiten, insbesondere von vernachlässigten Tropenkrankheiten, belastet die Bevölkerung erheblich. Viele dieser Krankheiten treten gleichzeitig auf und verlaufen chronisch. Ein starkes öffentliches Gesundheits- und Laborsystem ist daher entscheidend, um Gesundheitsnotfälle und Epidemien verlässlich und rasch bewältigen zu können. Aktuell ist das madagassische Gesundheitssystem jedoch stark zentralisiert und leidet unter einem Mangel an qualifiziertem Personal. Dies führt zu Ungleichheiten in der Versorgung. Gemeinsam mit Partnern vor Ort und international arbeitet die Gruppe daran, diese strukturellen Schwächen anzugehen und die Infrastruktur nachhaltig zu verbessern. 

Zudem engagiert sich die Gruppe in der Lehre und in der Öffentlichkeitsarbeit: Sie organisiert den Kurzlehrgang LAB-SPHERE in Zusammenarbeit mit iACE, Veranstaltungen zum „World NTD Day“ und weitere Initiativen zur Aufklärung über vernachlässigte Tropenkrankheiten.

Weitere Informationen zur Arbeitsgruppe finden Sie hier.

Das Foto zeigt zwei junge malagasische Frauen, die Flyer zur weiblichen genitalen Schistosomiasis hochhalten.
Aufklärungsarbeit zur Schistosomiasis in Madagaskar   ©BNITM | Pia Rausche

Original publications

Pavoncello, V. et al: Optimizing vaccine uptake in sub-Saharan Africa: a collaborative COVID-19 vaccination campaign in Madagascar using an adaptive approach. Implementation Science vol. 20, 2 (2025). DOI: 10.1186/s13012-024-01412-5

Marchese, V. et al.: Awareness and knowledge regarding female genital schistosomiasis among European healthcare workers: a cross-sectional online survey. Globalization and Health vol. 21, 2 (2025). DOI: 10.1186/s12992-024-01095-z


Über das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM)

Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) ist Deutschlands größte Einrichtung für Forschung, Pflege und Lehre auf dem Gebiet der Tropenkrankheiten und neu auftretenden Infektionskrankheiten. Aktuelle thematische Schwerpunkte sind Lassa- und andere hämorrhagische Fieberviren, Malaria, vernachlässigte Tropenkrankheiten (NTDs), Immunologie, Epidemiologie und die Klinik für Tropenkrankheiten sowie die Mechanismen der Virusübertragung durch Stechmücken. Das Institut verfügt über Labore der höchsten biologischen Sicherheitsstufe (BSL4) und ein Insektarium der biologischen Sicherheitsstufe 3 (BSL3) für den Umgang mit hochpathogenen Viren und infizierten Insekten. Das BNITM unterstützt den Aufbau von (mobilen) Laborkapazitäten in zahlreichen Ländern des sogenannten Globalen Südens.

Ansprechperson

Ph.D. Daniela Fusco

Abteilung Infektionsepidemiologie

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Presse- & Öffentlichkeitsarbeit

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