Beweglichkeit entscheidend für krankmachende Wirkung von parasitären Amöben
Forschende charakterisieren zwei neue Pathogenitätsfaktoren von Entamoeba histolytica
Eine Infektion mit dem einzelligen Parasiten Entamoeba histolytica verläuft in den meisten Fällen asymptomatisch, sie kann aber auch zu einer Darminfektion (Amöbenkolitis) oder einem Leberabszess führen. Wovon dies abhängt, untersuchten Forschende des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM). Drei Moleküle standen im Fokus: das Protein EhHP127 mit unbekannter Funktion und die proteinspaltenden Enzyme (Metallopeptidasen) EhMP8-1 und EhMP8-2. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Moleküle die krankmachende Wirkung der Amöben über unterschiedliche Mechanismen und komplexe Netzwerke vermitteln. Die Studie, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), erschien kürzlich in der Fachzeitschrift PLOS Pathogens.
Ist eine Person mit Amöben der Spezies Entamoeba histolytica infiziert, verlassen diese in einigen Fällen den Darm der infizierten Person und wandern über den Blutkreislauf in die Leber, wo sie einen Leberabszess verursachen. Warum und wie dies geschieht, ist noch unbekannt. In früheren Arbeiten identifizierten die Leiterin der Arbeitsgruppe Wirt-Parasit-Interaktion Prof. Dr. Iris Bruchhaus und ihre Kollegen und Kolleginnen zwei neue Moleküle als wichtig für den Prozess: Das Protein EhHP127 mit unbekannter Funktion und das proteinspaltende Enzym EhMP8-2, eine Metallopeptidase, beeinflussen die Pathogenität, also die krankmachende Wirkung, von Entamoeba histolytica (Meyer et al. PLOS Pathogens 2016 und Matthiesen et al. FASEB J 2019). Doch über welche Wege? Dieser Frage widmete sich die Forschungsgruppe in der aktuellen Studie. Sie nutzte für ihre Versuche nicht-pathogene sogenannte A1-Amöben und pathogene Amöben mit der Bezeichnung B2.
Molekül EhHP127 wichtig für Beweglichkeit der Amöben und ihre krankmachende Wirkung
„Über das Molekül EhHP127 war uns fast nichts bekannt, da im Tierreich kein ähnliches Molekül vorliegt. Wir konnten erstmals zeigen, dass das Protein eine wichtige Rolle bei der Fortbewegung der Amöben spielt“, so die Parasitologin Bruchhaus. Das Team schloss dies aus folgendem Ergebnis: Die vermehrte Produktion von EhHP127 führte dazu, dass die A1-Amöben eine weitere Distanz als Amöben mit weniger EhHP127 zurücklegen konnten. Entsprechend bewegten sich die B2-Amöben nach dem Ausschalten von EhHP127 weniger weit.
Einen weiteren großen Unterschied fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hinsichtlich der zytopathischen Aktivität, d. h. in diesem Fall, wie stark die Parasiten einen einschichtigen Zellrasen aus Leberzellen schädigen. Ihr Ergebnis: Beim Ausschalten von EhHP127 in den B2-Amöben lösten die Amöben den Zellrasen schlechter auf, was auf eine reduzierte zellschädigende Wirkung schließen lässt.
Aus früheren Ergebnissen (Meyer et al. PLOS Pathogens 2016 und Matthiesen et al. FASEB J 2019) wusste das Forschungsteam: Das Hochregulieren des Proteins EhHP127 in den vormals nicht-pathogenen A1-Amöben erhöht ihre krankmachende Wirkung. Entsprechend reduziert sich die Pathogenität in den B2-Amöben nach dem Ausschalten des Proteins EhHP127.
Zusammen mit den neuen Ergebnissen der aktuellen Studie schließt Bruchhaus: „Die Pathogenität der Amöben scheint mit der Beweglichkeit stärker zusammenzuhängen, als wir angenommen haben. Wir dachten lange, dass bestimmte Enzyme nötig seien, damit die Amöben Zell-Zell-Verbindungen auflösen und so ins Gewebe eindringen können. Unsere Ergebnisse zeigen, dass bei diesem Prozess die mechanische Bewegung der Amöben entscheidend ist.“
Metallopeptidasen EhMP8-1 und EhMP8-2 regulieren verschiedene Facetten der Pathogenität
Um die beiden Metallopeptidasen zu charakterisieren, mussten die Forschenden einen komplizierteren Versuchsaufbau wählen. Sie schalteten die Peptidasen in den A1-Amöben nicht nur einzeln aus, sondern auch gemeinsam: „Dieses Doppelsilencing ist eine Besonderheit unserer Studie, da das Ausschalten von Molekülen in Amöben nicht leicht zu erzielen ist“, erklärt Juliett Anders, Erstautorin der Veröffentlichung. Die verminderte sowie die vermehrte Produktion von EhMP8-1 und EhMP8-2 beeinflusste das Ablesen vieler Gene. So war es nicht überraschend, dass sich viele Eigenschaften der A1- und B2-Amöben hinsichtlich der Pathogenität veränderten: das Zellwachstum, die zellschädigende Wirkung, die Aktivität der proteinspaltenden Cysteinpeptidasen und die Fähigkeit, rote Blutkörperchen zu zerstören.
“Wir wussten, dass EhHP127 und EhMP8-2 die Pathogenität der Amöben in entgegengesetzte Richtungen lenken. Mit den neuen Ergebnissen konnten wir nun die dahinter liegenden unterschiedlichen Mechanismen aufdecken. Während EhHP127 die Pathogenität über die Beweglichkeit beeinflusst, wirken EhMP8-1 und EhMP8-2 als übergeordnete Regulatoren, die komplexe Netzwerke in Gang setzen. Wir hoffen, die Ergebnisse auch auf andere Parasiten übertragen zu können“, so die Biologin Bruchhaus.
In weiteren Versuchen werden sie und ihr Team in einem Organoidmodell aus Darmzellen untersuchen, wie die Moleküle EhHP127 und EhMP8-2 das Eindringen der Amöben in den Darm beeinflussen.
Ansprechperson
Prof. Dr. Iris Bruchhaus
Research Group Leader
Telefon : +49 40 285380-472
E-Mail : bruchhaus@bnitm.de
Dr. Anna Hein
Presse- & Öffentlichkeitsarbeit
Telefon : +49 40 285380-269
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