Wurminfektion schwächt Grippeschutzimpfung
+++ Veröffentlichung in Fachzeitschrift Cell Reports +++
Hamburg – Eine Forschungsgruppe des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) zeigt, dass Wurminfektionen den Erfolg von Schutzimpfungen gegen andere Krankheitserreger stören können. Die aktuell in der Fachzeitschrift Cell Reports erschienene Arbeit belegt, dass eine Wurminfektion die Antikörperbildung und damit die Wirksamkeit von Grippeschutzimpfungen beeinträchtigen kann, auch dann, wenn die Wurminfektion bereits ausgeheilt ist (Hartmann et al., 2019).
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist noch immer jeder vierte Mensch von einer Infektion mit parasitären Würmern (Helminthen) betroffen. Diese Infektionen kommen vor allem in den Tropen vor und gehören zu den armutsassoziierten Krankheiten. Parasitäre Würmer können zum Teil über Jahre und Jahrzehnte in ihren Wirten überleben, indem sie die Immunantwort teilweise beinträchtigen und so eine Abstoßung vermeiden. Einen dieser „Immun-Dämpfungsmechanismen“ und seine Folgen für Schutzimpfungen beschreibt die Gruppe um Professor Minka Breloer nun in der Fachzeitschrift Cell Reports.
Breloer, Leiterin der Arbeitsgruppe Helminthen-Immunologie am BNITM, untersucht, wie parasitäre Würmer das Immunsystem beeinflussen, um in ihren Wirten viele Jahre verbleiben zu können. Das hat Folgen, die weit über die vom Wurm verursachten Krankheitssymptome hinausgehen: „Saisonale Grippeschutzimpfungen gegen Influenzaviren werden durch eine Wurminfektion in ihrer Wirksamkeit deutlich beeinträchtigt“, sagt Breloer. "Dabei stört nicht nur eine akute Wurminfektion die Grippeschutzimpfung, der Impferfolg ist selbst nach ausgeheilter Wurminfektion noch deutlich schlechter."
Wurm-induzierter Botenstoff hemmt Antikörperproduktion nach Grippeimpfung
Bei einer Grippeschutzimpfung werden körpereigene weiße Blutzellen, sogenannte B-Lymphozyten, in Zusammenarbeit mit T-Helferzellen dazu angeregt, spezifische Antikörper gegen die Grippeviren zu produzieren. Diese Antikörper im Blut blockieren die Grippeviren und verhindern einen Krankheitsausbruch. So bleiben Geimpfte trotz Kontakt zu Grippeviren gesund.
Parasitäre Würmer induzieren jedoch die Vermehrung einer bestimmen Sorte von weißen Blutzellen, den regulatorischen T-Lymphozyten (Typ Tr1). Diese besonderen Zellen produzieren große Mengen des Botenstoffes Interleukin-10, welcher die Wirkungsweise der anderen weißen Blutzellen dämpft. Diesen Regulationsmechanismus, der normalerweise Schädigungen durch eine übermäßige Immunantwort vermeiden soll, machen sich die Parasiten zu Nutze. Sie sorgen für eine Vermehrung und Aktivierung der Tr1-Zellen: „Wir sehen eine langanhaltende Vermehrung der Interleukin-10 produzierenden Zellen sowohl am Ort der Wurminfektion, als auch im Blut und der Milz. Diese Vermehrung bleibt bestehen, auch wenn die Würmer bereits aus dem Köper verschwunden sind " erklärt Breloer.
In den aktuellen Untersuchungen beobachtete die Gruppe um Breloer, dass die Tr1-Zellen nicht nur die Abstoßung des Wurmes durch das Immunsystem stören, sondern auch die Antikörperproduktion bei der Grippeimpfung. Wurminfizierte und vormals wurminfizierte Mäuse produzierten nach einer Impfung – mit einem für Menschen zugelassenen Anti-Grippeimpfstoff – weniger Antikörper und waren vor einer Infektion mit einem humanpathogenen Schweinegrippe-Virus (2009 pH1N1 Influenza A) schlechter geschützt.
Beitrag für neue Grippe-Impfprogramme
„Diese Ergebnisse lassen befürchten, dass nicht nur Grippeschutzimpfungen, sondern auch andere in der ‚wurmfreien‘ westlichen Welt entwickelte und getestete Impfstoffe, in den Tropen nicht so erfolgreich sein werden“, so Breloer. „Zwar mussten wir auf Mausmodelle zurückgreifen, jedoch haben diese Modelle schon in der Vergangenheit eine gute Übertragbarkeit auf das menschliche Immunsystem gezeigt“, begründet die Gruppenleiterin die Relevanz ihrer Ergebnisse. „Zusammengefasst haben wir ein komplexes Zusammenspiel von Mensch, Parasit und Impfung im Maussystem abgebildet, mit dem wir alle Parameter kontrollieren können“, betont Breloer. Dies biete eine Grundlage, um zukünftig „wurmresistente“ Grippe-Impfprogramme zu entwickeln.
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Prof. Dr. Minka Breloer
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