Die Gelbfiebermücke: Perfekter Shuttle-Service für Arboviren
Die Gelbfiebermücke Aedes aegypti kann eine Vielzahl von Viren auf den Menschen übertragen, sogenannte Arboviren. Drei prominente Beispiele sind Zika-, Dengue- und Chikungunya-Viren. Während wir nach einer solchen Infektion schwer erkranken können, macht ihr das offenbar wenig aus. Wie macht sie das? Wie reagiert ihr Immunsystem, wenn sie gleich mehrere dieser Virenarten aufnimmt? Und was bedeutet das für ihre Fähigkeit, sie an uns weiterzugeben? Das hat eine Arbeitsgruppe des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) gemeinsam mit Partnern des internationalen Forschungskonsortiums „ZIKAlliance“ untersucht. Ihre Studie ist in dem Fachjournal „PLOS Neglected Tropical Diseases“ erschienen.
Das Zika-Virus kommt selten allein: In Brasilien etwa, einem der Hauptverbreitungsgebiete, kursieren gleichzeitig auch die Erreger des Dengue- und Chikungunya-Fiebers. Mit diesen Viren teilt das Zika-Virus nicht nur sein geografisches Verbreitungsgebiet, sondern auch den Vektor: die Gelbfiebermücke Ae. aegypti. Offenbar kann die Überträgermücke zuweilen mehrere Viren auf einmal übertragen und beim Menschen größere Ausbrüche verschiedener Krankheiten gleichzeitig verursachen.
Möglich ist dies vermutlich dank eines Infektionsgleichgewichts dieser Viren in der Mücke. Denn wenn sich ein Virus sehr stark in ihr vermehren würde, stürbe die Mücke und gäbe das Virus nicht weiter. Dasselbe wäre der Fall, wenn sie das Virus erfolgreich bekämpfte.
Die Arbeitsgruppe Mücken-Virus-Interaktion um Prof. Esther Schnettler wollte deshalb herausfinden, wie das Immunsystem von Ae. aegypti auf eine Einzelinfektion mit Zika-Viren reagiert und wie auf eine Koinfektion mit Zika- und Dengue- bzw. Zika- und Chikungunya-Viren. Im Rahmen des EU-geförderten unternationalen Forschungskonsortiums „ZIKAlliance“ infizierten Forschende am Institut Pasteur in Paris Gelbfiebermücken mit Hilfe von Blutmahlzeiten mit den entsprechenden Krankheitserregern. Anschließend untersuchte die Arbeitsgruppe am BNITM zusammen mit Kolleg:innen am MRC – University of Glasgow Centre for Virus Research mittels Next Generation Sequencing einen wichtigen Teil der antiviralen Immunabwehr von Stechmücken, die sogenannte RNA-Interferenz (RNAi). RNAi umfasst verschiedene zelluläre Reaktionswege, die zur Abwehr von fremder RNA einschließlich arboviraler RNA genutzt werden.
Das Ergebnis: Die RNAi wird aktiviert, und Ae. aegypti macht nicht nur die Einzelinfektion mit Zika-Viren wenig bis gar nichts aus. Auch eine gleichzeitige Infektion mit Dengue- oder Chikungunya-Viren hält sie mit RNAi in Schach.
Interessantes Detail: Wenn die Forschenden ein bestimmtes Protein der antiviralen RNAi Immunantwort komplett ausschalteten, dann konnten sich Zika-Viren während einer Chikungunya-Virus-Koinfektion weniger vermehren. Bei einer Koinfektion mit Dengue-Viren war dies nicht der Fall.
„Unsere Ergebnisse geben neue Einblicke in die Prozesse von arboviralen Koinfektionen in Stechmücken-Vektoren“, sagt Arbeitsgruppenleiterin Prof. Dr. Esther Schnettler. „Sie verbessern unser Verständnis von Koinfektionsszenarien während Arbovirus-Ausbrüchen.“ Die Studie liefere den Beweis, dass Zika-Einzelinfektionen und Zika-Koinfektionen mit Chikungunya- beziehungsweise Dengue-Viren gleichermaßen durch die antivirale RNAi-Reaktion kontrolliert werden.
Eine gute Nachricht für Gelbfiebermücken und Arboviren, eine schlechte für Menschen: Ae. Aegypti unterstützen also Koinfektionen von Zika-Viren mit Chikungunya- oder Dengue-Viren in ähnlichem Maße wie Einzelinfektionen, solange die RNAi-Antwort funktionsfähig ist. Das heißt aber auch, dass Gelbfiebermücken diese Viren gleichermaßen gut an uns weitergeben können.
Originalpublikation
Schnettler, Esther et al.: The Aedes aegypti RNA interference response against Zika virus in the context of co-infection with dengue and chikungunya viruses. PLOS Neglected Tropical Diseases. 13 July 2023.
doi.org/10.1371/journal.pntd.0011456
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